Mutter manipuliert Kind gegen Vater & umgekehrt: Was ist Kindesmanipulation?
Der Duden beschreibt „Manipulation“ als „undurchschaubares, geschicktes Vorgehen, mit dem sich jemand einen Vorteil verschafft, etwas Begehrtes gewinnt“. Manipuliert ein Elternteil das Kind gegen den anderen, möchte er das Kind damit meist auf die eigene Seite ziehen. Die Beeinflussung ist in vielen Fällen schwer nachzuweisen, da sie oft subtil – also schwer erkennbar – erfolgt.
Die dafür angewendeten Strategien sind vielfältig: Vom Schlechtreden des Vaters (oder der Mutter) über die Kontaktblockierung bis hin zur ultimativen Waffe, dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs, müssen sich die deutschen Jugendämter und Familiengerichte mit allem Möglichem auseinandersetzen.
Hinweis:
Ob die Manipulation nun böswillig oder unbewusst erfolgt: Die Kinder sind immer die Hauptleidtragenden in solchen Konfliktsituationen, die sich über Jahre ziehen können. Und auch wenn sich die psychischen Folgen möglicherweise noch nicht gleich zeigen. Oft kommt es später wie ein Bumerang zurück.
Was kommt häufiger vor: Mutter manipuliert Kind gegen Vater. Oder: Vater manipuliert Kind gegen Mutter?
Statistisch gesehen sind Mütter 6 Mal häufiger der hauptbetreuende Elternteil in Deutschland. Also jener Elternteil, bei dem die Kinder wohnen. Aus diesem Grund gehen Schätzungen davon aus, dass Väter ebenfalls sechsmal häufiger von Eltern-Kind-Entfremdung betroffen sind als Mütter.
Dass Mütter in der Regel hauptsächlich die Kinder betreuen, hängt besonders damit zusammen, dass die Geschlechterrollenverteilung in Deutschland nach wie vor stark traditionell geprägt ist: Die Mutter betreut und erzieht die Kinder und hat dazu oft eine Doppelbelastung durch die zusätzliche Berufstätigkeit, während der Vater sich ganz auf den Beruf konzentriert und die Kinder nicht so oft sieht.
Moderne Umgangsmodelle wie das Wechselmodell bzw. die Doppelresidenz sind aber auch in Deutschland immer mehr im Kommen. Dabei bekommen Frauen mehr Zeit für die berufliche Entwicklung und Männer mehr Zeit für die Kinder. In Skandinavien und in den Benelux-Staaten ist dieses Konzept schon sehr weit verbreitet.
Wie werden Kinder von ihren Eltern manipuliert?
Kindesmanipulation hat verschiedene Ausprägungsformen: Häufig beginnen sie mit dem Schlechtmachen des anderen Elternteils vor dem Kind. Nicht selten wird das Kind das Kind von einem Elternteil, der über den anderen enttäuscht oder auf ihn wütend ist, als Kummerkasten verwendet.
Diese Spirale kann sich immer weiter nach unten drehen, bis sich das Kind in einem handfesten Loyalitätskonflikt befindet und schließlich den leichtesten Ausweg nimmt: Sich auf die Seite des manipulierenden Elternteils zu stellen, um dem emotionalen Stress „so einfach wie möglich“ zu entgehen und nicht ständig hin- und hergerissen zu werden.
Ist das Kind dann so beeinflusst, kann es vorkommen, dass es den Kontakt mit dem anderen – meist dem nicht hauptbetreuenden, also umgangsberechtigten – Elternteil verweigert. Diese Situation ist für den Umgangsberechtigten sehr belastend. Denn rechtlich gesehen, müssen sich beide Eltern an das Wohlverhaltensgebot halten.
Oft ist ein Verstoß dagegen aber schwer nachzuweisen. Oder anders gesagt: Auch wenn ein Verstoß gegen das Wohlverhaltensgebot nachgewiesen wird, kann die Beziehung zwischen Umgangsberechtigen und Kind trotzdem schon erheblichen Schaden genommen haben.
Hinweis:
Das ultimative Instrument, mit dem der Kontakt zwischen Kind und einem Elternteil sofort unterbunden werden kann, ist der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs. Das Jugendamt bzw. Familiengericht muss diesem Vorwurf erst einmal auf dem Grund gehen. Aber bis der Vorwurf geprüft wurde, darf das Kind nicht zum Angeschuldigten.
Wohlverhaltensgebot
Das Gesetz hält fest: “Bei Ausübung der Rechte und Erfüllung der Pflichten nach diesem Hauptstück ist zur Wahrung des Kindeswohls alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Minderjährigen zu anderen Personen, denen nach diesem Hauptstück das Kind betreffende Rechte und Pflichten zukommen, beeinträchtigt oder die Wahrnehmung von deren Aufgaben erschwert” (§ 159 ABGB)
Das Gebot schließt somit auch mit ein, dass die Elternteile positive Äußerung des Kindes über den jeweils anderen Elternteil nicht negativ „abkanzeln“ dürfen oder auf die Freude, die es dem anderen Elternteil gegenüber verspürt, nicht mit Ablehnung reagieren dürfen.
Wird das Wohlverhaltensgebot durch einen Elternteil verletzt, ruft das eine schwere innere Verunsicherung beim Kind hervor. Wird ein Elternteil vor dem Kind schlecht gemacht, fühlt sich das für das Kind ungefähr so an, als würde man auf seinem Lieblingskuscheltier herumspringen. Umso verwirrender und emotional belastender ist es für das Kind, wenn ein Elternteil den anderen schlechtmacht. Nicht umsonst wird dieses Verhalten von vielen Psychologen und Pädagogen als eine Form von Kindesmisshandlung bezeichnet.
Wenn das Gebot von den Eltern missachtet wird, werden dem Kind die Übergaben vor und nach den Umgangsterminen zum Stresstest gemacht. Die Übergabesituation wird dann für das Kind zum absoluten Balanceakt, durch die es psychisch stark herausgefordert wird.
Hinweis:
Um diesen, durch das Fehlverhalten der Eltern oder eines Elternteils hervorgerufenen Stress zu entgehen, entscheiden sich manche Kinder dann, den Kontakt mit einem Elternteil gänzlich zu meiden. Das ist dann meist der einfachste Weg aus dieser misslichen Situation. Das Kind hat einen Schutzmechanismus, den es aktivieren muss, wenn es emotional nicht mehr geht.
Woran erkenne ich, dass mein Kind manipuliert wird?
Eltern sollten sich immer vor Augen halten, dass allein die Trennung meist schon zu einem veränderten Verhalten des Kindes führt. Man sollte also nicht versuchen, hinter jeder Verhaltensweise des Kindes, die sich etwas negativ gegen einen selbst richtet, schon eine Kindesmanipulation durch den anderen Elternteil zu wittern.
Oft haben die beiden Elternteile unterschiedliche Erziehungsstile und Herangehensweisen an Probleme, sich voneinander stark unterscheidende Weltsichten. Auf diese geänderten Gegebenheiten muss sich das Kind, vor allem nach der Trennung, aber auch immer wieder einstellen.
Folgende Verhaltensweisen des Kindes sind jedoch auffällig und deuten auf eine Beeinflussung hin.
1) Reden und Tun des Kindes ist widersprüchlich oder unstimmig
2) Bestimmte Trigger lösen negative Reaktion beim Kind aus
3) Kind hat plötzlich Bindungsprobleme zu einem Elternteil
4) Kind benutzt Erwachsenensprache und „geborgte Szenarien“
Hinweis:
Wer solche Dinge beim bzw. vom Kind erlebt, sollte die Augen offen halten und mit dem anderen Elternteil ein klärendes Gespräch suchen oder andere Maßnahmen ergreifen:
1) Reden und Tun des Kindes ist widersprüchlich oder unstimmig
Kinder können ihr Verhalten noch nicht so steuern wie Erwachsene. Kommt es zu Unstimmigkeiten oder Widersprüchlichkeiten zwischen Worten und Handlungen, deutet dies auf eine Beeinflussung hin. Vor allem bei Kleinkindern kann man dies beobachten.
Beispiel:
Das Kind sagt, es möge keinen Fisch mit Reis, isst es jedoch gleichzeitig mit Genuss. Oder sagt, es möge nicht ins Schwimmbad, äußerlich ist aber ersichtlich, wie sehr es sich darüber freut.
2) Bestimmte Trigger lösen negative Reaktion beim Kind aus
Auffallend ist auch, wenn die Erwähnung spezifischer Dinge, Personen oder Umstände eine ablehnende Haltung beim Kind hervorruft. Insbesondere dann, wenn das Erwähnen dessen in der Vergangenheit eigentlich eine ganz andere Reaktion des Kindes ausgelöst hat.
Das kann darauf hindeuten, dass dieser bestimmte Gegenstand oder diese gewisse Person vom anderen Elternteil regelrecht abgeben.
Beispiel:
Das Kind hatte in der Vergangenheit eine sehr positive Meinung über die Großeltern. Plötzlich löst die bloße Erwähnung der Großeltern beim Kind jedoch große Unsicherheit, Anspannung, Ablehnung oder gar Feindseligkeit aus.
3) Kind hat plötzlich Bindungsprobleme zu einem Elternteil
Hat das Kind auf einmal große Schwierigkeiten, sich einem Elternteil zu öffnen, lehnt es Umarmungen, Kuscheln oder auch Tröstungen urplötzlich ab, obwohl dies in der Vergangenheit zur Eltern-Kind-Beziehung ganz natürlich dazugehörte, kann dies ein Hinweis auf Manipulation des Kindes von außen sein. Auffällig wäre auch, wenn das Kind plötzlich stark ablehnend reagiert, wenn man ihm sagt, dass man es lieb hat.
Beispiel:
Normales elterliches Verhalten, wie ab und zu über den Kopf streicheln oder eine Umarmung, wenn das Kind etwas gut gemacht hat, oder wenn es traurig ist, wird vom Kind plötzlich strikt abgelehnt.
4) Kind benutzt Erwachsenensprache und „geborgte Szenarien“
Geborgte Szenarien sind auffällige Aussagen, die das Kind gegenüber dem anderen Elternteil benutzt. Es fällt dabei auf, dass das Kind selbst den Inhalt dieser Aussagen nie selbst formulieren hätte können, sondern nur deshalb erwähnt, weil es die Aussage von jemand anderes – in diesem Fall vom anderen Elternteil – „geborgt“ hat.
Beispiel:
Ein 4-jähriges Kind sagt auf einmal zum umgangsberechtigten und unterhaltspflichtigen Elternteil: „Wegen dir werden wir bald unter der Brücke leben!“ Oder: „Du darfst mir keinen Kakao zu trinken geben!“, obwohl dies früher nie ein Problem war.
Wie wirkt sich Manipulation auf die Psyche des Kindes aus?
Je nachdem, wie stark das Kind manipuliert wird, und ob die Manipulation auch mit einer Vereitelung des Umgangsrechts einhergeht, kann dies sehr negative Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und das geistige und körperliche Wohlbefindendes Kindes haben.
Entfernt sich das Kind immer weiter vom nicht betreuenden Elternteil, macht das Kind in dieser Situation das Richtige: Nämlich das Stresslevel so niedrig wie möglich zu halten. Der Effekt auf die eigene Entwicklung kann sich dann folgendermaßen zu erkennen geben: Verlustängste, Depressionen, Bindungsstörungen, Probleme bei der Ausbildung einer eigenen Identität können sich bis ins Erwachsenenalter hinein ziehen, oder sich auch besonders dann erst besonders stark zeigen.
Zu beachten ist auch, dass Kinder eine veränderte Zeitwahrnehmung haben. Für sie vergeht die Zeit recht langsam. Deshalb auch die Grundregel: Im Kleinkindesalter ist es besser, häufigere, dafür kürzere Umgangstermine mit dem Kind wahrzunehmen. Ist das Kind schon älter, können die Abstände länger sein, dafür die Kontaktzeiten an einem Stück ebenfalls länger (z.B. ganze Wochenenden).
Ist Manipulation Kindeswohlgefährdung?
Die Manipulation bzw. Beeinflussung eines Kindes kann als Kindeswohlgefährdung gewertet werden, wenn die psychische oder physische Unversehrtheit des Kindes dadurch Schaden nimmt. Der Begriff der Kindeswohlgefährdung ist gesetzlich nicht genau definiert.
Klar ist aber, was mit „Kindeswohl“ gemeint ist: Und zwar das körperliche, seelische und psychische Wohlbefinden einer minderjährigen Person. Die Eltern müssen alles dafür tun, dass diese Unversehrtheit des Kindes bewahrt wird.
Was ist „Eltern-Kind-Entfremdung“?
Ein Begriff, der im Zusammenhang mit Kindesmanipulation durch einen Elternteil häufig fällt, ist die sogenannte „Eltern-Kind-Entfremdung“ (Englisch: „Parental Alienation Syndrome“, kurz: PAS). Die Eltern-Kind-Entfremdung ist ein Konzept, das vom US-Kinderpsychiater Richard A. Gardner formuliert wurde. Es beschreibt den Umstand, wenn ein Kind einen Elternteil (meist den umgangsberechtigten) schlechtmacht und beleidigt.
Gardner beschreibt dieses Phänomen im Kontext von Scheidungs- und Trennungssituationen. Laut Gardner läge eine Ursache des Kindesverhaltens etwa in der Indoktrinierung des Kindes durch den hauptbetreuenden Elternteil, mit dem Ziel den anderen Elternteil (bewusst oder unbewusst) zu entfremden.
Die Symptome einer Eltern-Kind-Entfremdung beschreibt er folgendermaßen:
- Kind hasst einen Elternteil und wertet diesen ab.
- Kind begründet die Abwertung des Elternteils mit schwachen bzw. absurden Gründen.
- Kind fühlt nicht die übliche Ambivalenz im Hinblick auf den betroffenen Elternteil.
- Kind hat keine Schuldgefühle wegen seines Verhaltens in Beziehung mit dem abgewerteten Elternteil.
- Kind „borgt“ Szenarien und Redewendungen vom begünstigten Elternteil.
- Kind unterstützt den hauptbetreuenden Elternteil beim Streit um das Sorgerecht reflexartig.
- Kind besteht darauf, selbst entschieden zu haben, den betroffenen Elternteil abzulehnen.
- Kind wertet auch Familie und Freunde des schlechtgemachten Elternteils ab.
Hinweis:
Dieses Konzept wird zwar immer wieder zur Erklärung von negativem Verhalten gegenüber einem Elternteil herangezogen. Es ist jedoch umstritten. Besonders seine Wissenschaftlichkeit wird oft in Frage gestellt.
Hilfe bei Manipulation von Kindern
Ist der manipulierende andere Elternteil nicht durch gutes Zureden von der Kindesmanipulation abzubringen, sollte man sich aktiv dagegen einsetzen. Dabei sollte man am besten eine „Eskalationsleiter“ im Auge behalten. Die Reihenfolge kann dabei leicht variieren.
1) Mit anderem Elternteil sprechen
Zuallererst sollte immer versucht werden, mit dem anderen Elternteil eine gemeinsame Gesprächsbasis zu finden. Möglicherweise ist dieser noch durch die Trennung verletzt, hat aktuell irgendwelche persönlichen Probleme (mit der Arbeit, mit den Finanzen, in der Herkunftsfamilie etc.), die er mit dem manipulativen Verhalten äußert.
2) Bezugs- und Vertrauenspersonen mit einbeziehen
Hilft das persönliche Gespräch mit der manipulierenden Person nichts oder ist eine Diskussion erst gar nicht möglich, kann es auch eine gute Idee sein, mit einer Vertrauensperson des manipulierenden Vaters/der manipulierenden Mutter zu sprechen.
Kann diese Person die Mutter oder den Vater zu einem Gespräch mit dem jeweils anderen bewegen, ist möglicherweise schon viel gewonnen. Durch das positive Verhältnis, das die manipulierende Person mit dieser Bezugsperson hat, lässt sie sich idealerweise von der negativen Kindesbeeinflussung abbringen.
Hinweis:
Da die beiden Elternteile ihr Leben lang Eltern ihres Kindes bleiben, sollten sie grundsätzlich immer versuchen, sich so diplomatisch und nachhaltig wie möglich zu verhalten. Daher auch der stufenweise Anstieg der „Intensität“ der Maßnahmen.
3) Familienberatung aufsuchen
Hilfe können sich streitende Ex-Partner ebenfalls bei einer Familienberatungsstelle suchen. Sie beraten hinsichtlich Kindesentwicklung, Konfliktvermeidung und Konfliktlösung, bei Trennungs- und Scheidungsproblemen etc.
Sie können Empfehlungen zur Situation geben und an weitere Hilfsangebote verweisen. Zum Beispiel eine Mediation, Familientherapie, Trennungstherapie etc. vermitteln.
4) Jugendamt kontaktieren
Das Jugendamt hilft. Es kann auch an Angebote der Kinder- und Jugendhilfe weiterleiten.
Eine Meldung wegen Kindeswohlgefährdung muss das Jugendamt jedenfalls ernst nehmen. Verweigert ein Elternteil z.B. ständig den Umgang mit dem anderen, ist es häufig schnell wirksam, sich direkt ans Jugendamt zu wenden.
Das Jugendamt kann daraufhin die Eltern zu Gesprächen einladen, eine Gefährdungsabklärung machen, den Eltern beim Aufsetzen einer Umgangsvereinbarung helfen, usw.
5) Anwalt einschalten
Ein Anwalt für Familienrecht ist immer ein guter Ansprechpartner, um sich in der eigenen Situationberaten zu lassen und sich über die familienrechtliche Lage bzw. die familiengerichtliche Praxis einen Überblick zu verschaffen.
Viele Anwälte hören sich erst einmal die Situation am Telefon an und geben dann eine Einschätzung, bevor eine kostenpflichtige Erstberatung angesetzt wird.
6) Vor Gericht gehen
Letztlich bleibt auch der Weg zum Familiengericht, wenn vorhergehende Schritte gescheitert sind, oder diese keinen Sinn (mehr) machen. Ein Anwalt für Familienrecht kann hierbei unterstützen. Das Gericht kann etwa eine Umgangspflegschaft oder einen begleiteten Umgang anordnen.
Mutter manipuliert Kind gegen Vater & umgekehrt– Recht einfach erklärt
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